Gion Matsuri (20.07.2018)


Erneut geht es zunächst ums Wetter. Nach viel zu viel Regen folgte nämlich eine andauernde Hitzewelle von mehr als 35°C, die weiter anhält und gestern an gewissen Orten ganze 40° (Kyoto) erreichte. Die Planung des Wochenendes gestaltet sich schwierig, denn Kyoto und Osaka sind Asphaltwüsten und das Aquarium in Osaka ist samstags sicherlich mit Kindern überfüllt... Auch das nahe Arima Onsen wirkt nicht wirklich attraktiv, obwohl das Baden in den heissen Quellen erstaunlich erfrischt und man sich nachher viel kühler fühlt. Pläne gibt es deshalb noch keine, ausser vielleicht ein Café-hopping in Kobe... Schade eigentlich.

Im Übrigen ist zu bemerken, dass verschiedene Japaner (Gastfamilie, Freunde von Kollegen) geäussert haben, dass dieser Sommer besonders extrem sei. Normalerweise ist es, wenn überhaupt, erst im August so extrem heiss. Schwacher Trost für uns, die uns nach der Kühle des Schweizer Sommers sehnen und uns auf den Herbst freuen (traurig, wenn man bedenkt, dass ich den Sommer eigentlich liebe!). 

 

Wie auch immer, nur um die Hitze soll es doch nicht gehen, denn ich habe mich trotz den 38 Grad am Montag nach Kyoto aufgemacht, um das Gion Matsuri zu besuchen, eines der drei grössten Feste Japans. Wenig motiviert wegen Hitze und Aussichten auf vollkommen mit Leuten verstopfte Strassen fuhr ich also in Japans alte Hauptstadt und war überrascht: Der Vorabend war genauso toll wie der Umzug am Tag darauf. Die verschiedenen Umzugswagen, die am Dienstag mit Muskelkraft durch die Strassen gezogen wurden, waren aufgebaut und standen in der Stadt bereit, bewundert zu werden. Und während man durch die Strassen schlenderte, konnte man sich an den diversen Ständen mit Essen versorgen, Fische fangen und andere Souvenirs kaufen. Es war ein buntes Treiben und erinnerte mich an den Maienzugvorabend - mit dem Unterschied, dass dies hier sehr viel toller und abwechslungsreicher war. 

 

Später checkte ich im Hostel ein und trieb mich anschliessend im Gion-Quartier herum, wo ich während wenigen Sekunden eine Maiko sah, die aber gleich ins nächste Haus verschwand. Als die Nacht hereinbrach, erwachte die für den Verkehr an diesem Tag gesperrte Strasse vor dem Yasaka-Schrein zum Leben. An diversen Orten auf der Strasse wurden Tänze dargeboten, Trommelkonzerte gegeben und andere Vorführungen zum Besten gegeben. Für mich, die eigentlich nur wegen dem Umzug angereist war, eine unglaubliche Überraschung und grosse Freude! Yoiyama, wie der Vorabend heisst, war im Rückblick gesehen, vermutlich sogar toller als der Yamaboko-Umzug mit seinen gigantischen Festzugswägen.

 

Tanzvorführung
Tanzvorführung
"Sagi Odori" Tanzvorführung
"Sagi Odori" Tanzvorführung
Wadaiko Trommel-Aufführung
Wadaiko Trommel-Aufführung

Nach einer kurzen Nacht besuchte ich dann den Umzug und der war eindrücklich. Zunächst hiess es aber, eineinhalb Stunden an der entsprechenden Strassenkreuzung warten und ein Plätzchen zum Schauen freihalten. Da hinter mir zwei andere Ausländer standen, begannen wir ein Gespräch und die Zeit verging etwas schneller. Trotzdem warteten wir eine ganze Weile. Vor uns, hinter uns, um uns drängten sich die Leute und die Japaner beeindruckten mit ihrem Organisationsgrad, denn bis kurz vor dem Umzug waren die Strassen für den Verkehr noch offen, dann wurden sie sehr effizient gesperrt, der Verkehr umgeleitet und der Raum freigemacht für die Festzugswagen, die bald schon in Sicht kamen. 

Yama-Festzugswagen während der Dreh-Prozedur
Yama-Festzugswagen während der Dreh-Prozedur

Von den Wagen gibt es hierbei zwei Sorten: Die grossen Yama-Wägen und die kleineren "Hoko". Die Yama wiegen dabei mehrere Tonnen und mit ihren hohen Stangen auf dem Dach sind sie bis zu 25 Metern hoch. Alle sind aus Holz hergestellt und aufwändig mit Handwerkskunst dekoriert. In den Yama sitzen während dem Umzug jeweils eine Handvoll Männer, die Musik machen. Es ist relativ schwierig zu erklären, wie das Ganze ausschaut, daher: Siehe Fotos. Am 17. Juli werden 23 dieser Wagen mit Muskelkraft durch die Strassen bei Shijo-Kawaramachi gezogen mit dem Ziel, die Stadt zu reinigen und vor Epidemien zu schützen. Dies hat historische Gründe, denn das Fest wurde im 9. Jahrhundert zum ersten Mal aufgeführt, um die Götter zu beruhigen und eine wütende Krankheit einzudämmen. 

 

Die Wagen an sich sind also überaus eindrücklich, was aber genauso spannend anzusehen war, war die Prozedur, die sie durchliefen, um an der Strassenecke um 90 Grad gedreht zu werden, bevor der Umzug in eine andere Richtung weiterging. Dei hohen Holzkonstrukte besitzen kein Steuer, weshalb die Räder zunächst mit Tauen blockiert werden. Mit Hilfe von Bambusschienen und Wasser wird anschliessend das Drehen vorbereitet und in einem gut abgesprochenen und ausgeklügelt choreografierten Kraftakt schliesslich bis zu 45 Grad aufs Mal gedreht. Es lohnt sich, die Aufnahme auf Youtube anzuschauen, denn es ist schwierig, sich den enormen Aufwand vorzustellen, wenn man es nicht gesehen hat (Drehung eines Yama-Wagens: 2:30-2:40).

 

Das Drehen ist keine ungefährliche Sache, denn die Wagen bleiben zuweil am Boden hängen und das Ganze schwankt gewaltig, was von einem grossen Aufstöhnen der Menge kommentiert wird. Um diese Prozedur anzuschauen lohnte sich die Warterei allemal. Nach zwei Stunden, in dem mein Schattenplätzchen allmählich von einer glühenden Sonne abgelöst wurde, kehrte ich ins Hostel zurück. Der Umzug war zwar erst zu zwei Drittel gelaufen, aber es war eindeutig zu heiss und ich fühlte mich nicht mehr allzu gut. Zumal die kommenden Wagen sich nicht besonders von denen unterschieden, die ich schon gesehen hatte. Zufrieden und noch vor dem grossen Ansturm auf die Transportmittel, kehrte ich also kurz darauf per Zug nach Kobe zurück und ruhte mich zuhause aus. Die 29°C der Klimanalage fühlten sich geradezu kalt an.  

 

Rückblickend fand ich den Vorabend sehr viel angenehmer als den Umzug selbst, weil sich das meiste am Abend abspielte und es kühler war. Da bereits die drei Abende vor dem Umzug gefeiert wird, würde ich bei einem nächsten Mal wohl früher anreisen. Der Umzug selbst war sehr spannend anzusehen, gerade mit der aufwändigen Drehprozedur. Allen, die ihn sehen wollen, empfehle ich daher, sich die Mühe zu machen, und an einer der beiden Strassenkreuzungen (Shijo-Kawaramachi / Oike-Kawaramachi) zu warten, auch wenn man dafür früher dort sein muss, wenn man ein gutes Plätzchen ergattern will. Es lohnt sich auch, den Sonnenstand in Betracht zu ziehen und auf der Schattenseite zu warten! Ich selbst werde nächste Woche ein weiteres Mal nach Kyoto reisen für eine kleinere Prozession, danach aber wohl nicht mehr. Ich gehe nicht davon aus, dass ich noch einmal im Sommer nach Japan kommen werde, daher bleibt dieses Gion Matsuri wohl das eine, das ich sehen werde. Die Erinnerung daran werde ich aber hüten, denn es waren zwei spannende Tage und ich fühle mich in gewisser Weise geehrt, dass ich an diesem riesigen Fest teilhaben durfte.