Faszination Gion


Ich werde immer wieder gefragt, wann ich mich für Japan zu interessieren begann, weshalb ich mich dafür interessiere und vor allem, was denn so spannend sei. Die Antwort auf die erste Frage ist einfach: Ich las einen Samurairoman und fand das Thema spannend. Es war nach dem alten Ägypten, dem Mittelalter und dem alten Rom eine willkommene Abwechslung.

 

Die beiden anderen Fragen zu beantworten, ist schwieriger. Ein Aspekt davon stelle ich heute vor: Die Faszination, die ich gegenüber dem Gion-Viertel und den Geikos verspüre. Ich verbrachte die letzten drei Abende in diesem Viertel und habe mich in den schmalen Gässchen herumgetrieben.

 

Man mag nun denken, man sieht Geishas in Gion ständig. Denkste. Nur wenn man Glück hat und am richtigen Ort zur richtigen Zeit wartet, trippelt vielleicht eine Geiko vorbei. Bester Zeitpunkt: 18 oder 20 Uhr, bester Ort: Vor einem Teehaus. Die Teehaeuser sind dezent gekenntzeichnet mit einer zurueckhaltenden, schwarzen Tafel, die meist kaum zu sehen ist. Das grösste ist dabei relativ präsent am Eingang der Hanamikoji-Strasse. Das zweitwichtigste dagegen vollkommen versteckt in einem der vielen Seitengässchen. Ich hatte das Glück, auf ein Ehepaar mit japanischer Führerin zu stossen und mich diesen anschliessen zu dürfen. Dabei erfuhr ich eine Menge neuer Dinge, wie zum Beispiel, wie man Okiya (Haus, in dem die Geiko wohnen) und Chaya (Teehaus) erkennt. Aber auch mit diesem Wissen ists sehr schwierig - und kommt dann wirklich eine Maiko, wird sie meist von einer Meute fotografierender Touristen gestalkt und oder verschwindet blitzschnell in einer Gasse. Ich habe nach einem Tag aufgehört zu fotografieren und geniesse den kurzen Moment lieber, anstatt mich dem Stress auszusetzen, unbedingt einen tollen "Shot" zu erlangen. Eigentlich ist es völlig laecherlich, was wir Fotografierenden da treiben...

 

Das rare Sichten einer Geiko trägt übrigens nur zu ihrem Mysterium bei. Ich selbst finde Geikos so faszinierend, weil sie ihr ganzes Leben damit verbringen, nach Perfektion zu streben, und diese wohl auch erlangen. Wenn eine richtige Geiko in Gion unterwegs ist, steht für einen kurzen Moment die Zeit still. Alles dreht sich um, hält den Atem an und geniesst den kurzen Augenblick, bis sie in einer Seitengasse, dem Teehaus oder in einem Taxi verschwindet. Ich weiss nicht einen Bruchteil über dieses Enigma, aber ich bin jedes Mal froh, daran teilzuhaben, auch wenn ich mich in diesen Momenten vollkommen unsichtbar fühle und mich frage, was ich im Vergleich zu bieten habe.

 

Einem Kiesel

vor dem Fuji gleich, fühle ich mich

in Gion.

 

 

Am 1. August jeden Jahres ist es übrigens sehr viel einfacher, Geikos zu sehen, denn an diesem Tag ab ca. 10 Uhr morgens gehen sie von Teehaus zu Teehaus und stellen sich vor. Ebenfalls sehen tut man eine Menge Fotografen und Papparazzis, die jedoch ehrfürchtig zur Seite weichen, wenn die Geikos vorüberziehen. An diesem "Gion Hassaku" tragen die Geikos schwarze Kimonos (siehe unten bei den Fotos). Ich war da, zwischen den Fotografen eingeklemmt, und war überwältigt. Dabei fragte ich mich während dem Warten ständig, ob die Geikos nicht an einer anderen Stelle heimlich vorbeischleichen. Wäre für sie wohl sehr viel ruhiger und angenehmer.

 

 

Zusammengefasst: Ein lebendes Relikt aus der Geschichte, lebendige Kunst, Verkörperung japanischer Kultur... Geikos sind für mich vieles, aber vor allem gleichzeitig Mahnmal, selber etwas entschlossener zu sein, und Ermunterung, dass harte Arbeit sich irgendwann auszahlen wird. Wenn ich mein Japanologiestudium wirklich durchziehe, dann werde ich vielleicht irgendwann neben einer Geiko stehen können und mich nicht viel kleiner fühlen, auch wenn ich sie um einen Kopf überrage. 

Information zu Geikos:

Mit "Geiko" sind sowohl Geishas, als auch Maikos gemeint, also diejenigen, die noch in Ausbildung sind. Achtung: Geikos sind keine Prostituierte. Die wurden Tayuu genannt und hatten vollkommen andere Bräuche. Zudem ist Prostitution im modernen Japan verboten.

 

Das Missverständnis beruht auf den in der amerikanischen Besatzungszeit nach 1945 aufkommenden "Geisha Girls", die Prostituierte waren, jedoch mit den richtigen Geisha nichts zu tun hatten. Sie imitierten aber (wohl wegen dem Marketing) deren Aussehen. Die Ausländer aus dem Westen nahmen den Unterschied nicht wahr und setzten diese mit den richtigen Geisha gleich...