Ausruhen auf dem Tempelberg


Hier einer der letzten Einträge in Japan. Übermorgen fliege ich zurück. Zuvor aber geniesse ich auf dem abgelegenen Koya-san zwei Tage lang Meditation, buddhistische Morgengottesdienste und Feuerrituale. Die Tempel auf dem Berg waren bald gesehen und da ich nicht irgendwo anders hingehen kann, komme ich zum ersten Mal in den letzten sechs Wochen dazu, auszuruhen. Bisher rannte ich praktisch pausenlos von einem Ort zum nächsten und falls ich doch mal ausschlief oder ausruhte, hatte ich immer ein schlechtes Gefühl dabei, weil ich so viel verpasste. 

 

Die zwei Tage Ruhe und Meditation haben dabei einen tollen Nebeneffekt: Ich kann die Reise nochmals durchgehen, Erlebnisse und Gelerntes einordnen und abschliessen. Zurück in der Schweiz werde ich dafürnämlich dann zu beschäftigt sein (Einschreibung Unikurse, Diplomfeier etc.). Es fuehlt sich zum ersten Mal wie "Ferien" (Erholungsferien) an - und ich merke, ich bin ganz schlecht darin, einfach mal hinzusitzen und nichts zu machen. Ich brauche staendig eine Beschaeftigung, sonst habe ich das Gefuehl, meine Zeit nicht richtig gebraucht zu haben - dabei ist Nichts-machen manchmal erkenntnisreicher als zwanzig Tempel zu besuchen... Zumindest habe ich diesen Eindruck. Renne ich von einem Tempel zum naechsten, sehen nach einer Weile alle gleich aus. Ich muss hinsitzen und verweilen, damit der Tempel zu einem einmaligen Erlebnis wird. (Das bezieht sich uebrigens nicht nur auf Tempel, sondern allgemein auf all die Dinge, die ich besuchte. Bleibt man nicht eine Weile an dem Ort, ist es bloss ein weiteres, abgehaekeltes Element auf der To-Do-Liste...)

 

Was die Meditation anbelangt, so erzählt der Mönch über das Atmen dasselbe wie mein KungFu-Lehrer und die Atemtherapeutin. Leider ist es nicht so einfach für mich, denn anstatt dass der Atem die Emotionen kontrolliert, kontrollieren bei mir meist die Emotionen das Atmen... Ich arbeite daran, aber leider geht es nicht so einfach, wie das manchmal klingt. 

 

Der Meditationsraum erinnert mich stark an Taizé, wo ich vor einem Jahr war (siehe Google für diejenigen, dies nicht kennen). Auch hier sitzen wir auf dem Boden, die Atmosphäre ist ähnlich und was der Mönch über die sehr repetitiven Mantras gesagt hat, klang ganz nach dem Prinzip der Taizé-Lieder. Sehr interessant, das hier in einem buddhistischen Tempel so zu erleben. Ich empfinde Buddhismus im Gegensatz zu Shinto zwar als sehr exotisch und fremd und un-verstehbar, aber dieser Aspekt war etwas Bekanntes. Das ausgenommen, ist Buddhismus für mich immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, auch wenn ich bisher immer die Erfahrung gemacht habe, dass die Religion sehr offen und open-minded ist.